15:00 / Spreewaldplatz / Teilnehmer*innen sammeln sich am Lauti. 24. Hundertschaft ist vor Ort sowie 3 x zivil gekleidete Mitglieder der Berliner Polizei, Abteilung Politisch Motivierte Straßengewalt (PMS). Die 3 Zivilbeamten der PMS verstoßen durch ihr unmarkiertes Auftreten gegen das Gebot des § 12 S.1 VersG. Diese Legitimationspflicht schützt u.a. die Versammlungsfreiheit der Teilnehmer*innen nach Art. 8 Abs. 1 GG. Sie soll einer Unsicherheit darüber vorbeugen, ob sie während der Versammlung unwissentlich der Beobachtung durch die Polizei ausgesetzt sind. Entscheidend für den Schutz der Grundrechte ist die jederzeitige Unterscheidbarkeit von Versammlungsteilnehmer*innen und Mitgliedern der Polizei ([1] Ridder/Breitbach/ Rühl/ Steinmeier, Versammlungsrecht, Komm., 1. Auflage, § 12 Rn. 23).
Zudem trägt ein Beamter der PMS einen Kubotan/Tactical-Pen am Gürtel. Dieser ist kein zulässiges Einsatzmittel nach § 2 Abs. III, Abs. IV UZwG Bln und darf nicht zur Ausübung unmittelbaren Zwangs durch die Polizei verwendet werden.
Die Demonstration läuft um 15:45 wie angemeldet los und bewegt sich auf der angekündigten Route.
16:10 / Ecke Kohlfurterstr. und Admiralstr. / Die Polizei filmt den Frontblock mit einer Videokamera ab.
Diese anlasslose Überwachung von Versammlungen durch Bild- und Tonaufnahmen greift in den Schutzbereich der Versammlungsfreiheit ein. Wer bei der Ausübung dieses Grundrechts mit einer staatlichen Überwachung rechnen muss, verzichtet möglicherweise aufgrund der Einschüchterungswirkung auf die Teilnahme oder sieht sich zu ungewollten Verhaltensweisen gezwungen, um den beobachtenden Polizeibeamt*innen möglicherweise gerecht zu werden ([2] vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Februar 2007 – 1 BvR 2368/06 -, DVBl 2007, 497 – 502). Zudem ist das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung betroffen. Ferner entstehen für die Versammlungsteilnehmer weitere Risiken (z.B. das einer ungerechtfertigten Strafverfolgung) durch die Möglichkeit einer automatischen Gesichtserkennung oder einem etwaigen missbräuchlichen oder fahrlässigen Umgang mit den Aufzeichnungen bei den Polizeibehörden. Das Handeln der Polizei ist nicht zulässig ([3] vgl. VG Berlin, Urteil vom 26.04.2012 – VG 1 K 818.09).
16:20 / Kreisverkehr Kottbusser Tor / Die 25. Hundertschaft trifft zusätzlich zu den bereits begleitenden Beamt*innen ein und beginnt auf linker und rechter Seite der Demonstration behelmt und mit geschlossenem Visier im Spalier zur Demo zu laufen. Das äußere Erscheinungsbild der Demonstration wird so von der Polizei geprägt. Eine inhaltliche Außenwirkung der Demonstration durch Transparente etc. wird verhindert, ebenso wie die Kontaktaufnahme mit Passant*innen und Interessierten. Die polizeiliche Drohkulisse vermittelt zudem den Eindruck die Versammlung wäre ein Ort an dem Straftaten begangen werden und delegitimiert so die stattfindende Meinungsäußerung. Das ansatzlose Handeln der Polizei greift in die Grundrechtsausübung der Teilnehmenden ein und ist nicht zulässig.
Vor und hinter dem Demonstrationszug ist ebenfalls eine Polizeikette gezogen. Der Grund für diese Maßnahme ist nicht ersichtlich. Weiterhin scheint es Beanstandungen bezüglich verknoteter Transparente zu geben. Diese können durch Auflagen verboten werden, dahingehende Maßnahmen der Versammlungsbehörde waren den Anmeldenden jedoch nicht bekannt. Aus Protest zur rechtswidrigen Behandlung durch die Polizeibehörde bleibt die Demonstration stehen und bewegt sich erst 16:45 weiter nach einem vermittelnden Gespräch zwischen Anmelder*in und Einsatzleiter*in wodurch das Spalier mit größerem Abstand zur Demonstration und unbehelmt weiterhin die Demonstration begleitet.
16:50 / Oranienstraße vor Nr. 24 / Eine die Demonstration begleitende Polizeikette beginnt die Versammlungsteilnehmer*innen zu bedrängen und verlangt, dass diese nur auf der Fahrbahn laufen und den Gehweg verlassen. Für den Aufenthalt auf dem Gehweg ist aber keine (straßenrechtliche) Sondergenehmigung vonnöten, dieser steht den Teilnehmenden jederzeit zu. Der Eingriff durch provokatives Rufen und Schubsen der Beamt*innen entbehrt jeglicher Rechtsgrundlage und ist nicht zulässig. Erklärende Hinweise unsererseits werden ignoriert. Stattdessen setzen die Beamt*innen die Helme auf und beginnen mit dem (erneut rechtwidrigen) Filmen der Szene. In Protest zu dieser Behandlung bleibt ein Teil der Demonstration stehen wodurch die Versammlung erst 16:55 am Endkundgebungsplatz ankommt.
17:20 / Oranienplatz / Die Endkundgebung wird auf der Seite Richtung Erkelenzdamm bzw. Segitzdamm von allen Seiten durch Polizeikräfte umstellt und beobachtet. Auf der Seite des Drachebrunnens befinden sich diverse Polizeifahrzeuge. Die Oranienstraße ist Richtung Moritzplatz durch Polizeifahrzeuge und Polizeiketten gesperrt. Ein nach Art. 8 Abs. 1 GG geschützter ungehinderter Abgang von der Versammlung durch die Teilnehmenden ist so nicht möglich ([4] vgl. BeckOK GG/Schneider GG Art. 8 Rn. 21, 22).
. Der staatsfreie Charakter der Versammlungsfreiheit wird erneut von den Berliner Einsatzkräften nicht gewährt.
Fazit: Die Versammlungsteilnehmer*innen sind teilweise rechtswidrig und ohne erkennbaren Grund in ihrer Grundrechtsausübung eingeschränkt worden.