Das Recht als Regierungstechnik stützt bestehende Machtverhältnisse und -strukturen. Wir wollen uns auf dem nächsten BAKJ-Sommerkongress – vor dem Hintergrund von Asylrechtsverschärfung, NSU-Prozess, Forderungen nach Deutschpflicht am Küchentisch, Sarrazin in Bestsellerlisten und sich ausweitenden Protesten „besorgter Bürger_innen“ und „Pegida“ gegen Asylunterkünfte und vermeintliche Islamisierung – einer dieser Machtstrukturen widmen: dem gesellschaftlichen Rassismus – und seinem Verhältnis zum Recht.
In historischer Perspektive möchten wir insbesondere die NS-Justiz und ihr Fortwirken betrachten. Hat überhaupt und wenn ja inwieweit eine (gesellschaftliche) und juristische Aufarbeitung stattgefunden? Welche Relikte prägen auch heute noch juristische Ausbildung und Praxis?
Ein weiterer Teil unserer Auseinandersetzung soll sich dem rassistischen Normalzustand in der deutschen Gesellschaft widmen. In München läuft nun seit Mai 2013 der Prozess gegen Beate Zschäpe als Teil des sogenannten NSU, der das Land mit einer Serie von rassistisch motivierten Morden überzogen hat. Auch hierbei interessiert uns die Frage, welche Rolle das Recht bei der Aufarbeitung spielt, aber auch, wieso sich die Rechtswissenschaft bisher so sehr zurückhält, diesen Prozess wahr- und ernst zu nehmen. Neben derlei rechtsradikalen Täter_innen, denen gerne und weitestgehend einhellig das Label rassistisch zugeschrieben wird, interessieren wir uns aber vor allem für den Rassismus der Mehrheitsgesellschaft. Welche Rolle spielt rassistisches Wissen und Verhalten in der Praxis von Polizeibehörden, Staatsanwaltschaft und vor Gericht und wie kann ein kritischer Umgang damit aussehen? Wann wird Rassismus in Verfahren anerkannt und wann nicht? Wie beeinflusst Rassismus Kriminalisierungspraktiken, z.B. bei illegalisierten Drogen oder bei der Schaffung und Anwendung von Labeln wie „Intensivstraftäter_in“? Nach welchen Regeln erfolgt die Selektion der Personen, die auf der Anklagebank landen, aber auch derjenigen, die sie anklagen und über sie urteilen?
In einer Erweiterung der Perspektive möchten wir uns aber auch mit transnationalen Prozessen beschäftigen: Welche Rolle spielte und spielt das Recht in (Neo-)kolonialistischen Projekten und bei deren Aufarbeitung? Welche Rolle spielt Rassismus bei der Entstehung des Völkerrechts, in der sog. Entwicklungshilfe, in den Machtstrukturen im Klimadiskurs und bei Phänomenen wie dem “landgrabbing“?
Diesen und weiteren spannende Fragen möchten wir mit euch in Workshops, Diskussionen und persönlichen Gesprächen nachgehen, gesellschaftliche und unsere eigenen Praktiken hinterfragen und (juristische) Handlungsoptionen ausloten.
Wir freuen uns auf euch,
eure Kritischen Jurist_innen der FU.